Windenergie wird in der Region als Chance begriffen

Die Stadt Gengenbach stellt fast ihren gesamten Stromverbrauch aus erneuerbaren Energien selbst bereit und übernimmt damit eine Vorreiterrolle in Punkto Klimaschutz in der Region.

Windenergie wird in der Region als Chance begriffen

Die Stadt Gengenbach stellt fast ihren gesamten Stromverbrauch aus erneuerbaren Energien selbst bereit und übernimmt damit eine Vorreiterrolle in Punkto Klimaschutz in der Region. Für die Realisierung des Windparks Rauhkasten/Steinfirst setzte man frühzeitig auf Kommunikation und Partizipation und holte sich dafür professionelle Begleitung ins Boot. Den Bürgern wurde von Anfang an vermittelt, dass ihre Mitbestimmung und finanzielle Beteiligung an den Windenergieanlagen (WEA) eine zentrale Rolle für die Daseinsberechtigung des Projekts spielt. Damit konnte ein Bild gezeichnet werden, dass Windenergie nicht als Störfaktor, sondern als Chance wahrgenommen wird.

Das Projekt wurde von Anfang an mit den drei beteiligten Gemeinden Gengenbach, Hohberg und Friesenheim geplant. Im Anschluss daran wurden in einem umfangreichen Flächenpooling-Verfahren mit den insgesamt 8 Grundstückseigentümern (Land, Gemeinde, Privat) die Bedingungen für eine Verpachtung der betroffenen Flächen vereinbart. Gemeinsam erfolgte dann die Auswahl des Projektentwicklers, wobei die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung ein wichtiges Kriterium darstellte. Auch im interkommunalen Bereich wurden sinnvolle Übereinkünfte zu einheitlichen Suchkriterien, der Ausweisung möglicher Standorte und einer nach Flächenanteilen fairen Aufteilung der Gewerbesteuer getroffen.

Dank umfangreicher Beteiligung bleibt der Dorf- und Nachbarschaftsfrieden bis heute erhalten

In enger Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Freiburger Kommunalberatungsunternehmen endura kommunal wurde die Öffentlichkeit von Beginn an umfangreich informiert und in die vielen Planungsschritte eingebunden. Auf über 40 Veranstaltungen wie Bürgerinformationsabenden und öffentlichen Gemeinderatssitzungen wurde erklärt und diskutiert, auf bestehende Ängste und Sorgen eingegangen und Probleme ernstgenommen. Gegenüber einer der ursprünglich fünf geplanten Anlagen bestanden sowohl von Seiten des  Artenschutzes (Nähe zu wertvollen Waldbiotopen) als auch von der Bevölkerung (Nähe zu historischer Burgruine) Vorbehalte, so dass diese nicht gebaut wurde. Die koordinierte Standortauswahl half weiterhin, der befürchteten „Verspargelung“ entgegen zu wirken.

endura kommunal organisierte während der gesamten Bauphase zahlreiche Baustellenführungen für Bürger, Verwaltungsmitarbeiter, Gemeinderäte und eine Besuchergruppe des Forums Energiedialog Baden-Württemberg. Die dabei live übertragenen Aufnahmen einer Drohne wurden mit großer Begeisterung aufgenommen. Mit der Feuerwehr und dem Musikverein wurden immer auch die örtlichen Vereine aktiv mit eingebunden. Diese übernahmen die Bewirtung und machten in der Regel ein spontanes Fest daraus. Bei den öffentlichen Baustellenführungen wurden auch kritische Fragen gestellt. Der Dialog zwischen Bürgern und Projektierern/projektbegleitender Beratung blieb hinsichtlich Windenergie im Allgemeinen und des Windenergieparks im Speziellen aber immer sachlich und konstruktiv.

Über eine Projektwebseite wurde regelmäßig und detailliert über den Stand der Planungen und des Baus berichtet und Termine kommuniziert. Ein Newsletter informiert über Neuigkeiten, ein FAQ beantwortet Fragen zum Platzbedarf, Betriebsgeräuschen der WEA und vielem mehr.

Seit Inbetriebnahme des Windparks können sich Bewohner aus elf umliegende Gemeinden auf der Website außerdem online für die finanzielle Beteiligung registrieren. 50 Prozent des Windparks hat die kommunale Betreibergesellschaft Windenergie Gengenbach übernommen, die den Bürgern der umliegenden Gemeinden eine finanzielle Beteiligung anbietet. Die andere Hälfte des Windparks wird vom Projektierer und Anlagenhersteller Enercon gehalten, womit derjenige, der diesen Windpark gebaut und die Anlagen hergestellt hat, auch für die nächsten 20 Jahre mit „an Bord“ bleibt.

Bergkuppen versprechen gute Winderträge an einem naturverträglichen Standort

Um eine maximale Windhöffigkeit zu gewährleisten, fiel die Wahl der WEA-Standorte auf die zwei Bergkuppen von Rauhkasten und Steinfirst mit ca. 600 m ü.NN. Diese lassen Windgeschwindigkeiten von 6,3 m/s erwarten. Bestehende Forstwege konnten für die Zufahrt genutzt werden, hier mussten lediglich Ränder befestigt oder ausgebaut werden. Die letzte Steigung von ca. 200 m zur Spitze des Steinfirsts wurde aus Sicherheitsgründen für die Schwertransporte asphaltiert.

Die im Landkreis ausgewählte Potentialfläche, die sowohl im Regional- wie im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist, hat insgesamt eine Größe von 112 Hektar und ist komplett bewaldet, der Waldanteil im Landkreis beträgt 48 Prozent. Die einzelnen Anlagenstandorte befinden sich in forstlich genutzten Bergmischwäldern aus Fichte, Douglasie, Tanne und Buche. Aus Naturschutzsicht war die Ausgangslage gut:  Schwerpunktvorkommen von Vogelarten wie Auerhuhn, Rotmilan, Baumfalke, Wanderfalke und Uhu sowie Zaun- und Mauereidechse, Haselmaus und Schlingnatter konnten durch Gutachten ausgeschlossen werden – dies ist an einem Schwarzwald-Standort eher selten. Das Gebiet wurde bisher und wird auch weiterhin sehr von Erholungssuchenden genutzt. Nur ca. 200 m von einer Windenergieanlage entfernt befindet sich eine bewirtschaftete und gut besuchte Hütte des Schwarzwaldvereins, die weiterhin sehr gut besucht ist. Vorhandene Wanderwege und Mountainbiketrails wurden bei der Planung hinsichtlich Eiswurf und Attraktivität der Wege berücksichtigt.

Zur Minimierung der Eingriffe in Wald und Natur konnten in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Forstbehörde Zuwegungen soweit verbessert werden, dass deutlich weniger Rodungen als anfänglich geplant notwendig waren. Für eine Anlage musste aus Gründen des zu hohen Eingriffs in den Wald ein neuer Standort gefunden werden, der letztlich sogar etwas höher lag und somit eine bessere Windenergieernte erbringen kann. Eine Kranstellfläche wurde so angelegt, dass zwei WEA die gleiche Kranausleger- und Lagerfläche nutzen konnten.

Für die vier Windräder wurden schließlich insgesamt fünf Hektar Waldfläche gerodet. Als Ausgleich für die dauerhafte Waldumwandlung erfolgte im direkten Anlagenumfeld eine Stilllegung von 7,6 Hektar Wald mit altem Baumbestand, was neben dem Naturschutz durch die Bindung von CO₂ im Totholz auch dem Klimaschutz zugutekommt. Für den Ausgleich des Landschaftsbilds wurden von den Betreibern des Windparks insgesamt 330.000 Euro an die Stiftung Naturschutzfonds des Landes Baden-Württemberg überwiesen. Insgesamt bot der gewählte Raum aus ökologischer Sicht relativ wenig Konfliktpotenzial und erwies sich daher als günstig für die Planung. Der Umgang mit windenergiesensiblen Arten konnte auf generelle Vermeidungsmaßnahmen (z.B. Abschaltung der Anlagen für Fledermäuse) und die Einhaltung von Standards (keine Rodung im Winter oder zur Aufzuchtzeit) beschränkt werden. Zur Schaffung von Fledermaushabitaten wurden außerdem Fledermauskästen ausgebracht und eine wertvolle Trockenmauer fledermausfreundlich saniert.

 

FAZIT / LESSONS Learned

“Für zukünftige Windenergieprojekte soll beibehalten werden, genau wie in Gengenbach und in den umliegenden Gemeinden, schon vom ersten Tag an die Öffentlichkeit miteinzubeziehen. Auch wenn dies die gesamte Planung deutlich verzögert und im Zweifelsfall dazu führen kann, dass einzelne WEA aus der Planung genommen werden müssen, ist dies unserer Meinung nach die einzige Möglichkeit, dass nicht eine Großzahl der Bürger gegen das Projekt aufbegehren und z.B. Bürgerinitiativen gegen Windenergie gründen.

Die Vorbereitung der Öffentlichkeitsarbeit hat extrem viel Zeit und Arbeit geschluckt, da viele Abläufe wie bspw. die Anmeldung zu den Baustellenführungen, zu wenig automatisiert organisiert waren. Hier kann noch viel verbessert werden, sodass (Arbeits-)Zeit noch sinnvoller für die Bewerbung des Nutzens von Windenergie im Allgemeinen und das entsprechende Projekt im Speziellen fließen kann.

Sehr gute Absprachen zwischen den Akteuren Gemeinde, Projektierer und endura kommunal sind Voraussetzung, um den Unmut von Anwohnern bei entstehenden Lärm- und Schmutzvorkommen durch die Baustellenfahrzeuge zu verringern. Dies muss in Zukunft bei allen Windenergieprojekten eine sehr hohe Priorität bekommen.

Projektierer, Gemeinden und Anlagenhersteller müssen in der Zukunft noch viel mutiger sein, ausreichend Geld für die Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung zu stellen, z.B. um stets ganz gezielt und vor allem rechtzeitig auf Bürgerbeschwerden eingehen zu können; dieses zahlt sich später in Form von Akzeptanz vielfach zurück.“

Sarah Berberich, Projektmitarbeiterin bei endura kommunal GmbH

Dieser Artikel wurde von der Fachagentur Windenergie an Land publiziert (Ausgabe Dezember 2017 S.20). Diesen können Sie unter folgendem Link abrufen.

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