Frau Nietz, wie fühlen Sie sich nach knapp zwei Jahren interkommunaler Wärmeplanung für den Landkreis Lörrach?
Einerseits sehr zufrieden, weil ein großes Projekt abgeschlossen wurde. Auf der anderen Seite bin ich sehr gespannt auf das, was kommt und inwiefern wir zielorientiert und effizient in die Umsetzung starten können.
Was war damals ausschlaggebend, diesen Auftrag dem Konsortium aus endura kommunal, greenventory und ifok zu erteilen?
Zunächst musste eine europaweite Ausschreibung durchgeführt werden. Hier konnte sich das Konsortium durch den richtigen Mix aus Projektexpertise vor Ort, Datenkompetenz und Moderationserfahrung erfolgreich durchsetzen. Die drei Firmen vereinten alle Kompetenzen, die auch tatsächlich für die Arbeit im Landkreis notwendig waren. Ein Partner allein hätte das nicht bewältigen können.
Das Projekt ist ein Pilotprojekt nicht nur für das Land Baden-Württemberg. Was sind die wichtigsten Erfahrungen für Sie als Auftraggeberin?
Zwei Dinge stehen für mich im Vordergrund. Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist die Kommunikation zwischen Landkreis und beteiligten Kommunen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kommunen bereits eigene Planungen beim Thema Wärme verfolgen. Eine regelmäßige Beteiligung und Abstimmung zwischen allen Akteuren ist Voraussetzung.
Ein weiterer wesentlicher Punkt für die Verwaltung ist der Fachkräftemangel. Es ist unbedingt notwendig, Personalressourcen und Zeit für die kommunale Wärmeplanung bereitzustellen. Eine ausreichende fachliche Einarbeitungszeit und Fortbildungen sind wichtig, um ein solches Projekt gut führen zu können.
"Wir sind stolz, dass wir diese Pionierfunktion einnehmen durften."
Oft bildet der Datenschutz eine Hürde für größere Projekte. Wie sind Sie das Problem angegangen?
Das Thema hat uns in den ersten Wochen unerwartet viel Arbeit bereitet. Wir mussten eine Datenschutz-Vereinbarung mit allen 35 Kommunen des Kreises treffen. Ohne diese hätten alle drei Firmen individuelle Vereinbarungen mit den Bürgermeister:innen abschließen müssen. Glücklicherweise ließ sich dieser zusätzliche Aufwand vermeiden.
Andererseits sollen die gesammelten Daten nach der Erstellung des Wärmeplans gelöscht werden. Warum?
Ja, das stimmt. Laut Vorgaben des Ministeriums werden personenbezogene Dateien nach der Planung gelöscht und stehen nicht für die Umsetzung zur Verfügung. Dabei ist die Befürchtung, dass sensible Daten veröffentlicht werden, unbegründet. Letztendlich sind nur aggregierte Datensätze, also Daten mehrerer Häuser, für die grobe Umsetzung relevant.
Was zeichnete die Zusammenarbeit mit endura kommunal aus?
Die Fragestellungen waren sehr komplex, verschiedenartig und auch detailliert: von der gebäudescharfen Ausweisung von Wärmenetz-Eignungsgebieten bis hin zur Potenzialermittlung für Tiefengeothermie. Hier hat endura kommunal eine beeindruckende Fachkompetenz vorweisen können und uns sehr gut unterstützt. Gleichzeitig haben sie dieses „Mammutprojekt“ dirigiert, was bei der Zahl an beteiligten Akteuren herausfordernd war. Sie hatten stets den Blick fürs Ganze und waren immer ansprechbar.
Gab es besonders herausfordernde Phasen in der Zusammenarbeit?
Das bleibt bei solch einem großen Projekt nicht aus. Aufgrund der Vorreiterrolle, die der Landkreis hier einnehmen durfte, liegen keine einfachen Standardlösungen vor. Im Gegenteil: Hier wurde die „Blaupause“ für einzelne Meilensteine teilweise erst entwickelt. Wichtig ist es, die entscheidenden Akteure mitzunehmen – sowohl inhaltlich als auch politisch. Das erfordert viel Feingefühl. Und das haben wir gemeinsam geschafft.
Welchen Anklang findet der Wärmeplan bei den Kommunen?
Das Echo auf die Ergebnisse ist bislang überaus positiv. Der Wärmeplan hat vieles in Bewegung gesetzt. Einige Kommunen haben zum ersten Mal etwas von einer klimaneutralen Wärmeversorgung gehört, während andere Kommunen sich in ihrer bestehenden Planung bestätigt fühlen.
"Die Workshops: Das war lokale Energiewende pur!"
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ja, die Stadt Weil am Rhein. Der Wärmeplan dient als argumentative Grundlage zur Erweiterung der lokalen Wärmenetze. Dies haben wir in einem eigenen Workshop für die Stadt vorbereitet. Besonders toll zu erleben war, dass wir die Wärmeplanung für jede einzelne Kommune in Workshops ganz konkret besprechen konnten. Das war lokale Energiewende pur.
Wie zeigt sich die Wirkung des Projekts über den Landkreis hinaus?
Ich erhalte derzeit sehr viele Anfragen, unter anderem von Kommunen, Verbänden oder Fachzeitschriften, die an unseren Erfahrungen teilhaben möchten. Viele interessiert, wie wir das Projekt gestemmt haben. Das liegt vermutlich an der Pionierfunktion und daran, dass wir das Projekt ergebnisreich abschließen konnten. Umso mehr freue ich mich darüber, dass der Landkreis Lörrach zu den diesjährigen Preisträgern des Wettbewerbs „Klimaaktive Kommune 2022“ gehört. Im Rahmen der Kommunalen Klimakonferenz in Berlin am 21. November durfte unsere Landrätin Frau Marion Dammann den Preis in der Kategorie „Ressourcen- und Energieeffizienz“ aus den Händen von Wirtschaftsminister Robert Habeck entgegennehmen.
Was würden Sie rückblickend anders machen?
Ein Wärmeplan für 35 Kommunen gleichzeitig war ein überaus ambitioniertes Ziel, weil die Rahmenbedingungen im Landkreis so unterschiedlich sind. Städte wie Lörrach oder Rheinfelden starteten von einem ganz anderen Punkt als Kleinstgemeinden wie Tunau oder Böllen mit noch nicht einmal 100 Einwohnern. Deutlich kleinere Konvoi-Lösungen wären sinnvoller gewesen.
"Viele weitere Kommunen möchten an unseren Erfahrungen teilhaben."
Wie geht es jetzt mit der Wärmewende bei Ihnen im Landkreis weiter?
Wir sind froh darüber, dass uns endura kommunal mit ihrer Fachexpertise weiterhin unterstützt – beispielsweise bei der Präsentation der Ergebnisse in einzelnen Gemeinderäten. Allein würden wir das nicht schaffen. Gleichzeitig folgt auf die Planung die Umsetzung. Nach den verbindlichen Beschlüssen werden Machbarkeitsstudien und Quartierskonzepte erarbeitet, um konkrete Wärme-Projekte zu realisieren. Darauf sind wir sehr gespannt.